: Zwei Jahre bis zum Frieden
Ehrgeiziger Plan: Bis 2005 soll der Nahost-Konflikt beigelegt sein. Die neue Zeitrechnung beginnt mit Gewalt auf beiden Seiten
aus Jerusalem SUSANNE KNAUL
Mit einem Schritt vorwärts und zwei zurück macht der Nahost-Friedensprozess dieser Tage mühsam Fortschritte. Nur Stunden nachdem das Parlament der neuen palästinensischen Regierung ihr Vertrauen ausgesprochen hatte, zündete in der Nacht zum Mittwoch vor einem Tel Aviver Musikklub ein Selbstmordattentäter einen Sprengsatz und riss drei Menschen mit den Tod.
Nur fünf Stunden zuvor hatten die Regierungschefs in Jerusalem und Ramallah die aktuelle Fassung der „Roadmap for Peace“ erhalten. Der internationale Fahrplan zur Beilegung des israelisch-palästinensischen Konflikts wurde vom so genannten Nahost-Quartett erarbeitet, bestehend aus den USA, der UNO, EU und Russland (siehe Kasten).
Gestern dann starben bei Militäraktionen in Gaza und Hebron mindestens zehn Palästinenser. Nach offizieller Version stießen Panzerbrigaden, die das Haus eines Hamas-Aktivisten in Gaza umzingelt hatten, auf Widerstand. Bei den bis gestern Nachmittag andauernden Gefechten starb ein zweijähriges Baby durch Kopfschuss. Auch südlich von Hebron wurden zwei bewaffnete Palästinenser erschossen. In verschiedenen palästinensischen Städten nahm die Armee zudem Verhaftungen vor und zerstörte das Haus eines mutmaßlichen Terroristen.
Die israelische Armee operierte damit gegen den Rat hoher Beamter des Nachrichtendienstes, die – Hörfunkberichten zufolge – der Regierung Verhaltensmaßregeln empfohlen haben sollen. Um den neuen palästinensischen Premierminister Machmud Abbas (Abu Masen) zu stärken, heißt es, hatten die Geheimdienstler zu „militärischer Zurückhaltung“ geraten. Ferner sei vorläufig von „öffentlichen Kontakten“ zu Abbas abzusehen, die ihn in Palästinenserkreisen schwächen könnten.
US-Präsident George W. Bush drängte unterdessen beide Seiten, „guten Willen bei der Umsetzung des Fahrplans zu demonstrieren“. Er wird vermutlich noch im Mai zunächst mit dem israelischen Premierminister Ariel Scharon und anschließend mit Machmud Abbas zusammentreffen. Auch UN-Generalsekretär Kofi Annan appellierte an beide Seiten, auf dem schweren Weg zum Frieden „durchzuhalten“.
Noch am Mittwoch kommentierte Scheich Achmad Jassin, geistlicher Führer der Hamas, in Gaza den Fahrplan als „Plan zur Liquidierung der palästinensischen Sache“. Die Hamas lehnt den „vom Ausland diktierten“ Friedensweg ab.
Abbas, der in seiner Antrittsrede von einer Entwaffnung der Opposition gesprochen hatte, versucht nun zunächst auf diplomatischem Weg, einen Waffenstillstand zu erreichen. In Israel besteht indes wenig Hoffnung auf ein Gelingen seiner „unmöglichen Mission“, wie die auflagenstärkste Tageszeitung Yediot Achronot kommentiert.
Klar scheint, dass Machmud Abbas mit schönen Worten allein nicht viel erreichen wird. Die Widerstandsgruppen haben sich in den vergangenen Monaten zunehmend von der politischen Führung abgenabelt. Vor allem in Nablus agieren zahlreiche kleine, weitgehend parteiunabhängige Gruppierungen. Hinzu kommt, dass Abbas und der von ihm ernannte Minister für Innere Sicherheit Mohammad Dahlan noch keine Autorität über die Sicherheitstruppen genießen: Ein Teil untersteht weiter direkt dem Palästinenserpräsidenten. Der Fahrplan zum Frieden sieht jedoch eine Zentralisierung der Sicherheitsdienste vor.
In Jerusalem bestand gestern keine Eile, auf die Veröffentlichung des Plans zu reagieren. US-Außenminister Colin Powell hat seinen Besuch in Israel und bei den Palästinensern um gut eine Woche verschoben – angeblich um beiden Seiten Zeit für Anmerkungen zu geben. Israel ist vor allem an einer schnellen Wiederaufnahme der Sicherheitskooperation gelegen. Eine entsprechende Delegation wurde bereits benannt. Leiter des Gremiums ist General Amos Gilad – bislang Koordinator für israelische Einsätze in den Palästinensergebieten.